Freitag, 14. September 2007

Heute Morgen

Zu früher Morgenstund ist der Mensch sich noch ungleicher als des Abends.

Immerfort geh ich meine Strasse lang und seh, wie sich der Verkehrsfluss gen Arbeitsort bewegt. Eine Gestalt geht vor mir, vernebelt rauchend den Bürgersteig und seiner selbst mit süsslichem Duft. Ein junger Mann, vermummt in Rapperkluft, überquert die Strasse ohne Blick nach links und rechts.

Ich steige in den Bus, Fensterplatz, schaue raus und sehe fern. Zwei Männer auf der Bank trinken Bier aus Büchsen und halten die Zigarette fest zwischen ihren zitternden Fingern. Lese in ihren müden Gesichtern traurige Geschichten. Mehr Glück zu haben scheint der noble Herr, sitzend auf der Terrasse des Schweizerhofs, die Neue Zürcher Zeitung lesend. Sein Milchkaffee schäumt, der warme Dampf raucht in den frühherbstlichen Morgen.

Eine Dame kämpft mit ihrem schweren Koffer; zuviel gepackt, geht’s mir durch den Kopf. Anstatt mich ihrer anzunehmen und zur Hilfe eilen, steig ich geschwind aus dem Bus und verschwinde unter der Strasse. In diesem grossen Keller unter Strassen und Geleisen, viele Händler preisen ihre Ware. Ob Schirm oder Hut, ob Schuh oder Wurst, alles gibt’s zu haben an diesem Ort.

Der Kaufmann schreit in sein Mobiltelefon. Die Geschäftsfrau umklammert fest ihren elektronischen Kalender und fechtet mit dem Stift gegen ihre Termineflut. Müde Schüler verstecken sich für zwanzig Minuten pendelnd hinter ihrem Leibblatt.

Jeder geht seinen Weg, doch gemeinsam sind wir ein Masse.

Die Einen entsteigen den Zügen, die Anderen steigen ein. Jeder geht seinen Weg.

Heute Morgen war anders. Die 20 Minuten Box war leer.

3 Kommentare:

  1. Hätte ich eine Zeitung, wärst du mein erster Kolumnist. Wirklich sehr schön deine Geschichte. Super gschrieben!

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